Gounod’s „Faust“ eröffnet neue Spielzeit

Welche deutsche Schule nimmt Goethe’s „Faust“ nicht im Unterricht durch? Das ist eine Frage, die sich leicht beantworten lässt. Jedem ist die Figur des Wissenschaftlers bekannt, dessen Streben unersättlich war. Die ganzen Sagen wurden von vielen bekannten Autoren festgehalten. Aber die Figur bot auch reichlich Stoff für Theater-Inszenierungen und musikalische Vorführungen. So entschied sich der Franzose Charles Gounod für die Komposition einer Oper, die am 19. März 1859 in Paris uraufgeführt wurde. Auch in Deutschland fand Gounod’s Oper Anklang. Mit diesem musikalischen Stück startete das Theater Magdeburg am 10. September 2016 in die neue Spielzeit unter der Regie von Olivia Fuchs.

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Shavleg Armasi, Richard Samek und Noa Danon; ©Kirsten Nijhof

Der alternde Wissenschaftler Faust (gesungen und gespielt von Richard Samek) ist noch immer auf der Suche vom Ursprung des Lebens. Um seinen Wissensdurst zu stillen, schließt er einen Pakt mit Méphistophélès (gesungen und gespielt von Shavleg Armasi). Er verjüngt Faust, damit dieser die schöne Marguerite (gesungen und gespielt von Noa Danon) verführen kann. Als diese schwanger wird, verlässt Faust sie und tötet ihren Bruder Valentin (gesungen und gespielt von Johannes Wollrab) in einem Straßenduell. Erst als die Unglückliche ihr eigenes Kind tötet und im Kerker landet, versucht sich Faust seiner Verantwortung zu stellen.

Wer denkt, er bekomme hier den Stoff von Goethe vorgeführt, der liegt hier ziemlich daneben. Eine philosophische Tiefe gibt es in Gounod’s Werk eher selten zu spüren. Doch Regisseurin Olivia Fuchs hat einen Hauch von Philosophie mit in das Stück gebracht. Allein das Bühnenbild versetzt das anwesende Publikum in ein riesiges Labor. Hauptsächlich erzählt die Oper aber eine Liebesgeschichte. Das hört man in den Klängen der Musik und in den Texten. Kenner hören auch ganz schnell raus, dass es sich um die französische Romantik dreht. Die grandiosen Instrumentierungen und die fantastischen Stimmen tragen einen von Szene zu Szene. Vor allem weibliche Rezipienten können sich in der Figur der Marguerite wiederfinden. Freude, Unentschlossenheit, Gebrechlichkeit, Verzweiflung, Stärke – sie durchlebt viele emotionale Facetten, die berühren.

Aber Regisseurin Olivia Fuchs legte auch einen Fokus auf die Beziehung zwischen Faust und Méphistophélès. Sie erkannte Parallelen zu Dr. Jekyll und Mr. Hyde in den beiden Hauptprotagonisten und versuchte diese mit dem über die Jahrhunderte gewachsenen Stoff, einen modernen Faust zu schaffen. Eine zwiespältige Figur, die Gut und Böse in sich trägt und letzteres oft zu verdrängen versucht. Mit Richard Samek scheint sie einen Faust gefunden zu haben, der all das in seiner Stimme und in seinem Ausdruck zeigen kann. Samek durchlebt eine 360-Grad-Wandlung in dieser Oper. Das fängt schon beim äußerlichen Erscheinungsbild an und geht über bis zum Charakter der Figur. Sein Faust ist sehr romantisch. Er arbeitet außerdem auch viel mit seinem Gesicht, welches dazu beiträgt, dass man ihm alles abkauft, was er lyrisch von sich gibt.

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Richard Samek und Noa Danon; ©Andreas Lander

Auch Shavleg Armasi zeigt uns einen Méphistophélès, der es zwar faustdick hinter den Ohren hat, aber auch irgendwo ein charmanter Bösewicht ist. Er hat immer mal einen kessen Spruch auf den Lippen und hat Spaß an Feierlichkeiten. Man findet ihn bei seiner Boshaftigkeit doch irgendwie sympathisch. Das funktioniert ziemlich gut und bringt in die gesamte Handlung eine gute Abwechslung zwischen gute und schlechte Zeiten mit hinein.

Das Orchester unter der Leitung von Svetoslav Borisov zeigt auch das emotionale Wirrwarr in dieser Oper. Die Melodien sind so facettenreich, sodass jeder auf einer Welle getragen wird. Von hellen Stücken bis zu düsteren Klängen: musikalisch ein absolutes Meisterwerk. Außerdem bringen sie die Stimmen der Protagonisten noch mehr zum Glänzen. So kann es auch schon mal vorkommen, dass es den ein oder anderen Gänsehaut-Moment gibt.

Aber auch das Bühnenbild ist einfach phänomenal. Von einem Labor zu einem Club, von diesem zu einer Straße, die dann zu einer Kirche wird und noch einiges mehr. Eine Liebe für Details macht sich schnell bemerkbar. Aber auch hier merkt man, dass die Handlung etwas ins Moderne gezogen wurde.

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Im Hintergrund Chor und Statisterie;©Andreas Lander

Besonders macht sich die Moderne in den Party-Szenen bemerkbar. Da kann es auch schon mal vorkommen, dass Batman, Robin und Superman einen Tanz auf das Parkett legen. Fuchs schafft hiermit eine erheiternde Stimmung und zeigt, dass es nicht nötig ist, wenn man sich strikt an das hält, was zu jener Zeit angesagt war. Altbacken? Fehlanzeige!

Die Geschichte um Faust ist nicht nur Schulstoff, sondern begeistert seit hunderten von Jahren auch die Theater-Besucher. Es gibt ihn in vielen verschiedenen Ausführungen. Doch Gounod’s Meisterwerk wird sich immer wieder von den meisten Inszenierungen absetzen.

Wer sich in Magdeburg einen schönen Opernabend machen möchte, dem wird am 17.09., 02.10., 14.10., 31.10., 11.11., 27.11., 10.12. und am 21.12. die Möglichkeit dafür geboten.

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Richard Samek, Chor und Statisterie; ©Andreas Lander

Mehr Informationen gibt es auf der Website des Theaters Magdeburg: http://www.theater-magdeburg.de/spielplan-tickets/musiktheater/faust/

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