Tödliche Intrige: „Otello“ am Theater Magdeburg

1887 nahm sich der italienische Komponist den Shakespeare-Stoff „Otello“ vor und zauberte daraus eine Erfolgsoper. In der Spielzeit 2018/19 bringt Regisseurin Olivia Fuchs das musikalische Meisterwerk auf die Bühne des Magdeburger Opernhauses. 

Nachdem der Krieg in der Türkei gewonnen war, kehrt der Feldherr Otello (Aldo Di Toro) nach Zypern zurück, wo er schon von dem wartenden Volk und seiner Frau Desdemona (Raffaela Lintl) erwartet wird. Einzig und allein Iago (Goucha Abuladze) ist nicht erfreut über Otellos Rückkehr. Er fühlt sich übergangen, dass Cassio Jonathan Winell) zum Hauptmann ernannt wurde und nicht er. Um diesen zu stürzen, lässt er sich eine perfide Intrige einfallen.

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Desdemona (Raffaela Lintl, Mitte) beteuert Otello (Aldo Di Toro, rechts) ihre Treue. Doch der Plan von Iago (Goucha Abuladze) scheint aufzugehen.; Foto: Nilz Böhme

Auf der Bühne des Opernhauses wird eine düstere Handlung farbenfroh gestaltet. Regisseurin Olivia Fuchs verlegt die Handlung in die Siebziger Jahre. Dies lässt sich nicht nur an dem Bühnenbild, sondern auch an den Kostümen festmachen. Yannis Thavoris legt dabei den Fokus auf helle und knallige Farben mit vielen Mustern. Somit wird eine frohe und heile Welt erschaffen, deren Fassaden in langsamen Schritten zu bröckeln anfangen. Zuständig ist dafür Goucha Abuladze als Iago. Durch sein Streben nach Macht und Anerkennung zieht er die entscheidenen Fäden. Er schafft es, dass die Leute ihm vertrauen, aber im nächsten Moment strahlt er eine erschaudernde Kälte aus. Dieses Wechselspiel der zwei verschiedenen Persönlichkeiten legt er auch in seine kräftige Stimme. Es ist ein wahrer Genuss für Augen und Ohren. Er und Aldo Di Toro, der die Titelpartie übernimmt, harmonieren exzellent miteinander. Der Tenor strotzt vor Energie und der Zuschauer spürt in allen Fasern des Körpers die Liebe, die er für seine Desdemona empfindet. Doch sobald Iago mit seiner Intrige um die Ecke kommt, brodelt es in Di Toros Otello gewaltig. Obwohl er sich versucht zu beherrschen, bricht es irgendwann aus ihm heraus. Er stampft impulsiv durch die Gegend und verschließt sich gänzlich vor der Wahrheit und beendet das Eifersuchtsspiel mit mehreren Schüssen. All diese Facetten sind in seiner gefühlvollen Stimme zu hören. Die Zuschauer kriegen in vollem Umfang zu spüren, mit wie viel Leidenschaft Di Torro auf der Bühne steht.

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Sobald Raffaela Lintl als Desdemona die Bühne betritt, fliegt ein Zauber durch die Luft. Es hat den Anschein, als hätte Fuchs eine Göttin auf die Bühne gebracht, denn Lintl verkörpert ihre Rolle mit sehr viel Anmut und Selbstbewusstsein. Sie ist die Unschuld in Person und steht zu ihrem Wort. Obwohl ihr Mann ihr ein Techtelmechtel mit Cassio andichtet, beteuert sie ihm gegenüber ihre Treue. Doch sie muss sich irgendwann eingestehen, dass sie gegen die Sturheit von Otello nicht ankommt und ahnt ihr Schicksal voraus. Während die Sopranistin in den ersten beiden Akten noch mit lieblichen Tönen für Gänsehautmomente sorgt, bekommt das Publikum in den nachfolgenden Akten ihre Angst zu spüren. Diese Desdemona ist für die Magdeburger Oper ein wahrer Segen. Besonders berührend ist ihre Performance von „Canzone del salice“ im vierten Akt. An Lintls Seite steht oft eine weitere Frau. Es ist Isabel Stüber Malagamba als Emilia, die als ihre Kammerfrau und Iagos Gattin immer wieder über die Bühne streift. Obwohl die Mezzosopranistin in dieser Partie eher selten zu Wort bzw. zum Gesang kommt, wird sie vom Zuschauer dennoch wahrgenommen. Sie zieht mit ihrer Mimik und Gestik die Aufmerksamkeit in den richtigen Momenten auf sich, ohne sich dabei in den Mittelpunkt zu drängen. So auch der Opernchor des Theaters. Er zeigt erneut, wie wichtig er für solche Produktionen ist. Ein gewaltiges Feuerwerk an Stimmen darf in jeder Hinsicht erwartet werden.

Das Orchester, welches wechselnd unter der Leitung von GMD Kimbo Ishii und Pawel Poplawski steht, sorgt bereits in den ersten Minuten für einen donnernden Einstieg. Es dauert nicht lange, da geht der Spannungsbogen leider etwas nach unten. Die Kompositionen dienen mehr als Unterstützung für die Akteure auf der Bühne. Nachdem der ein oder andere Rezipient nach den ersten Tönen hohe Erwartungen hat, dürfte hier ein wenig enttäuscht werden.

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Emilia (Isabel Stüber Malagamba, kniend) findet Desdemona (Raffaela Lintl) verletzt im Badezimmer.; Foto: Nilz Böhme

„Otello“ in der Regie von Olivia Fuchs ist ein Aufgebot der Multitalente des Magdeburger Ensembles. Die Inszenierung betört mit ihren ausgezeichnet besetzten Figuren, die nicht nur gesanglich, sondern auch schauspielerisch viel zu bieten haben. Fuchs zeigt auch, dass dieses Drama auch in einem Siebziger-Jahre-Flair ein Hingucker und -hörer sein kann. Wer fast die gesamte Crème de la Crème des Magdeburger Opernhauses erleben möchte, für den sollte ein Besuch dieser Oper auf der To-Do-Liste stehen.

 

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