Irres Familiendebakel: „Xerxes“ am Theater Magdeburg

In Kooperation mit den Händel-Festspielen Halle 2019 bringt das Theater Magdeburg die Oper „Xerxes“ von Georg Friedrich Händel auf die Bühne im Opernhaus. Regisseur Tobias Heyder erzählt die verrückte Familiengeschichte mit viel Witz, Charme und stimmgewaltigen Akteuren. 

Der persische König Xerxes (Emilie Renard) verliebt sich in die bildschöne Romilda (Mariana Beridze). Doch diese liebt seinen Bruder Arsamene (Leandro Marziotte) und umgekehrt. Xerxes verbannt deswegen Arsamene aus dem Königreich. Auch Romildas Schwester Atalanta (Hyejin Lee) hat ein Auge auf den Bruder des Königs geworfen. Sie spinnt eine Intrige, die Arsamene an sie binden soll. Dann gibt es auch noch die fremde Prinzessin Amastre (Lucia Cervoni), die eigentlich mit Xerxes verlobt ist. Als Xerxes seinem Heerführer Ariodante (Johannes Stermann), welcher der Vater von Romilda und Atalanta ist, verspricht, dass Romilda einen Bräutigam von königlichem Blut bekommen werde, scheint sich der ganze Stress zu legen. Doch Xerxes ahnt nicht, dass sich seine Pläne in eine andere Richtung entwickeln würden…

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Arsamene (Leandro Marziotte 2.v.l.) bekommt mit, wie sein Bruder Xerxes (Emilie Renard, Mitte) sich an seine Geliebte Romilda (Mariana Beridze, r.) ranmacht.; Foto: Nilz Böhme

Wenn man an den Großkönig Xerxes aus dem Achämenidenreich denkt, stellt man ihn sich gleichzeitig auch als ägyptischen Pharao vor. In Händels Oper wird der Fokus eher auf die privaten Seiten anstatt auf seine Taten als Feldherr gelenkt. Der Komponist schaffte eine ausgewogene Mischung aus Ernsthaftigkeit und Komik, die keineswegs für gähnende Langeweile sorgt. Auch Regisseur Tobias Heyder legt Wert darauf, mit seiner Inszenierung das Publikum zu unterhalten. Deswegen kreierte er für die Magdeburger Bühne eine dysfunktionale Adelsfamilie, welche die Zuschauer in etwa zwei Stunden und 45 Minuten bei einer Zeitreise begleiten können. Pascal Seibicke erschuf dafür ein wandelbares Bühnenbild, welches auf der einen Seite prunkvoll erscheint und andererseits düster wirkt. Passend dazu stattete Janine Werthmann die Schauspieler mit eindrucksvollen Gewändern aus. Während anfangs die Familie noch jung und dynamisch ist und Xerxes keiner Streiterei aus dem Weg geht, spürt der Rezipient vor allem im zweiten Akt die Erschöpfung der einzelnen Figuren. Unterstützend wirkt dabei auch noch, dass die Protagonisten von Szene zu Szene immer mehr altern. Allein dieser Alterungsprozess unterhält die Besucher des Opernhauses enorm. Zudem können sie auch sehen, dass die Akteure auf der Bühne ebenfalls Spaß an dieser changierenden Produktion haben.

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Xerxes (Emilie Renard, l.) und Atalanta (Hyejin Lee) schmieden einen teuflischen Plan.; Foto: Nilz Böhme

Emilie Renard glänzt in Händels Titelrolle. Die junge Mezzosopranistin bringt eine starke Stimme und eine eindrucksvolle Präsenz auf die Bühne. Man kann sie nicht dafür hassen, dass sie als Xerxes nur an sich denkt und das Glück anderer dafür zerstören möchte. Ganz im Gegenteil: Sie zieht das Publikum mit sich und lässt durch ihr schelmisches Grinsen, welches immer wieder auftaucht, erahnen, dass sie, obwohl sie der Großkönig ist, keine blutrünstigen Taten in der Familie ausüben würde. Es ist ein Genuss ihr zuzusehen und -zuhören. Countertenor Leoandro Marziotte debütiert in der Rolle des Arsamene am Theater Magdeburg und begeistert mit seinem Talent das Publikum. Er legt in seinen Gesang viel Liebe, die nur allein für Romilda vorhanden ist. Wenn er auch noch den Schmerz verarbeiten muss, dass Xerxes ihm seine Zuneigung zu seiner Geliebten verbietet, trifft er mit seiner Stimme vor allem bei den weiblichen Zuschauern ins Schwarze. Besonders viel Aufsehen erregt Mariana Beridze beim Publikum. Ihre glasklare und vor allem sehr starke Stimme sorgt für den ein oder anderen Gänsehautmoment während der Vorstellung. Die Sopranistin wickelt mit ihren Arien und ihrer natürlichen Schönheit jeden Anwesenden im Saal um den Finger, ohne sich dabei anzustrengen. Auch die Mezzosopranistin Lucia Cervoni hinterlässt einen bleibenden Eindruck als Amastre. Besonders in Kombination mit Johannes Wollrab, der Elviro verkörpert, sorgt sie für amüsante Momente. Johannes Stermann, der als Heerführer Ariodate auftritt, sticht allein schon durch seine Körpergröße heraus. Er strahlt schon fast mehr Macht als der Großkönig selbst aus. Dies tut der Bass-Sänger ebenfalls mit seiner Stimme intensivieren. Umso witziger ist es, dass dieser starke Mann im Verlauf des zweiten Aktes körperlich immer mehr abbaut, aber geistig nichts an ihm vorbeigeht. Nur die Sopranistin Hyejin Lee kann in dieser Inszenierung ihr gesangliches Talent nicht voll und ganz ausschöpfen. Untergehen tut sie in dem ganzen Spektakel trotzdem nicht. Als Atalanta möchte sie auch nur von einem ganz bestimmten Mann geliebt werden und schreckt auch nicht davor zurück, ihre eigene Schwester hinters Licht zu führen und einen Bären aufzubinden.

Ebenfalls wichtig für diese Produktion ist der Opernchor und die Magdeburgische Philharmonie, welche unter der Leitung von Nicholas Kok steht. Während der Chor zur großen Familie des königlichen Stammbaums gehört, untermalt das Orchester die Feierlichkeiten mit passenden sanften Klängen, die immer wieder einen musikalischen Toast aussprechen. Es ist nicht verwunderlich, wenn es dem ein oder anderen Rezipienten schwer fallen sollte, die Füße still zuhalten. Die Musik lädt nämlich nicht nur zum Mitschunkeln, sondern auch zum -tanzen ein.

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Großkönig Xerxes (Emilie Renard, r.) verspricht seinem Heerführer Ariodante (Johannes Stermann), dass seine Tochter Romilda einen Bräutigam von königlichem Blut erhalten werde.; Foto: Nilz Böhme

„Xerxes“ in der Inszenierung von Tobias Heyder ist ein Spaß für die ganze Familie. Musikalisch reiht sich ein Talent ans andere und hinterlässt bleibende Eindrücke. Auch schauspielerisch nehmen die Figuren das gesamte Publikum auf eine immer schneller werdende Zeitreise mit, die kein Auge trocken lässt. Leute, die sich sonst vor Opern scheuen, könnten nach dem Besuch dieser Vorstellung ihre Meinung ein wenig ändern. Denn letztendlich feiern alle Anwesenden ein großes Familienfest mit einigen Zankereien, die sich dennoch legen und ein Happy End vor der Tür steht.

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