Wiedervereinigung oder Boom: Zukunftsfarce „Das Knurren der Milchstraße“ im Schauspielhaus Magdeburg

Der deutsch-koreanische Autor Bonn Park hat gerade einen absoluten Lauf. Sein eigenes Stück „Das Knurren der Milchstraße“ wurde erst im September 2017 am Theater Bielefeld uraufgeführt und gewann sogar beim letztjährigen Theatertreffen in Berlin den 1. Preis des Stückemarktes. Wenige Monate später sieht der Regisseur Moritz Gärber seine Chance, die preisgekrönte Zukunftsfarce im Rahmen der Reihe „Sprungbrett“ am Theater Magdeburg auf die Science-Fiction-Raumbühne zu bringen. 

Ein außerirdischer Biologe (Stimme: Christoph Förster) beobachtet seit längerer Zeit das Geschehen auf der Erde und kommt zu der Erkenntnis, dass alle menschlichen Lebewesen sich dumm und scheiße verhalten. Sie sind zwar irgendwo liebenswert, aber verhalten sich trotzdem dumm und scheiße. Er parkt sein Raumschiff auf den vielleicht nicht mehr zu rettenden Planeten. Aus ihm entsteigen mehr oder wenige bekannte Figuren aus der Gegenwart, die über eine unwahrscheinliche Zukunft philosophieren. Kim Jong-un will unbedingt die beiden Koreas wiedervereinigen. Notfalls auch mit dem Einsatz einer Atombombe. Der abgewählte Donald Trump will nicht nur sämtliche Waffen einschmelzen, sondern auch sein hart erarbeitetes Geld an Bedürftige verteilen. Heidi Klum hat eingesehen, dass Hungern nichts bringt und frisst nicht nur das Böse der Welt auf, sondern auch sich selbst. Aber wer zum Kuckuck ist dieser miesepetrige Bonn Park, der sich auch noch über die Konversationen der Menschheit beklagt?

Maike Schroeter als Heidi Klum
Heidi Klum (Maike Schroeter) hat eingesehen, dass ihre Vorstellung von Modelmaßen völlig utopisch ist..; Foto: Nilz Böhme

Wie oft sitzt man zusammen mit Freunden und Familie an einem Tisch und plaudert nicht nur über das Tagesgeschehen auf der ganzen Welt, sondern malt sich gemeinsam auch mal die utopischsten Geschichten aus? Der Dramatiker Bonn Park muss sich genau solche Konversationen zu Herzen genommen und sie zusammen mit seiner eigenen Fantasie gekoppelt haben. Für sein Stück „Das Knurren der Milchstraße“ versetzte er sich selbst in die Rolle von prominenten Persönlichkeiten und schrieb auf diese Reden, die jenseits jeder Vorstellungskraft liegen. Man muss dafür teilweise schon einen speziellen Humor haben. Der aufstrebende Regisseur Moritz Gärber muss genau diese Art von Humor mit Park teilen. Zusammen mit dem Dramaturgen Maiko Miske hat er sich für sein Regiedebüt den passenden Stoff ausgesucht und beweist auch ein Gespür für die perfekte Besetzung.

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Wollen das Unmögliche möglich machen: Carmen Steinert und Maike Schroeter.; Foto: Nilz Böhme

Abwechselnd treten Maike Schroeter und Carmen Steinert als Kim Jong-un, Heidi Klum und Co. in Erscheinung. Aus ihren Mündern fließen Worte, die die Weltpolitik in ein vollkommen absurdes Licht rücken und Bilder im Kopf entstehen lassen, die für alle Anwesenden absurder nicht klingen können. Beide haben Träume, treten mal euphorisch und voller Tatendrang, aber auch gelangweilt und verloren auf. Beide Schauspielerinnen können sich in dieser Produktion nochmal von ihren facettenreichsten Seiten zeigen. Vor allem wenn sie ihre Monologe abwechselnd oder sogar in Chöre sprechen, merkt man, dass beide super miteinander harmonieren. Anfangs fühlt der Rezipient sich gegebenenfalls leicht überfordert mit der Überflutung und Wechselsprünge an Monologen. Aber beide schaffen es doch irgendwie, dass man ihnen folgen kann. Schroeter wurde erst dieses Jahr mit dem Förderpreis des Theater Magdeburg ausgezeichnet. Völlig verdient, wie sich in dieser Produktion zeigt. Vor allem als fette Heidi Klum, die auf einmal zum Stand-up-Comedian mutiert, gewinnt sie viele Lacher aus dem Publikum, obwohl ihre Sketche alles andere als unterhaltsam sind. Sie glänzt nicht nur durch Mimik und Gestik, sondern auch mit ihrer Stimme. Ihr Gesangstalent darf sie auch in dieser Inszenierung wieder unter Beweis stellen. Auch Steinert zeigt, dass sie stimmlich einiges zu bieten hat. Diese Produktion rundet ihr erstes Jahr am Schauspielhaus Magdeburg exzellent ab und öffnet ihr möglicherweise für die kommende Spielzeit neue Türen im Haus. Sie zeigt auch, dass sie als Animateurin durchstarten könnte, als sie kurzerhand für ein Experiment das Kommando übernimmt und das Publikum zum Mitmachen verdonnert – selbst vor Körperkontakt mit Zuschauern scheut sie sich nicht.

Carmen Steinert Party Girl
Carmen Steinert performt den Song „Party Girl“ von Chinawoman.; Foto: Nilz Böhme

Obwohl sich das Bühnenbild von Nadine Hampel und Josefine Marie Krebs durch das graue Raumschiff und zwei von der Decke hängenden Mikrofonen auf das Nötigste beschränkt, merkt man früher oder später, dass weniger wieder einmal mehr ist. Denn wer auf den Boden schaut, der sieht die Welt bildlich von oben. Die Monologe sind es, die das Stück anspruchsvoll machen. Und obwohl es das Regiedebüt von Moritz Gärber ist, könnte man den Eindruck gewinnen, dass er schon lange in dem Geschäft tätig ist. Zumindest kann man sagen, dass er mit erfahrenen Kollegen bereits mithalten kann. Denn auch wenn jemand keinen Gefallen an seinem Erstlingswerk finden sollte, müssten sie dennoch zugeben, dass es schon schlechtere Produktionen von bekannten Namen gegeben hat (nicht auf „Das Knurren der Milchstraße“ an sich bezogen, sondern allgemein). Gärber in Kooperation mit Miske passt einfach wie Arsch auf Eimer, um es mit deutlichen Worten zu sagen, die auch Bonn Park für solch‘ eine Beschreibung verwenden würde. Sollte es in Zukunft weitere Zusammenarbeiten für das Schauspielhaus geben, dann kann man sich definitiv auf etwas gefasst machen, was im Gedächtnis der Rezipienten bleiben wird. Beide sind Typen, die gerne etwas wagen und Spaß am Experimentieren haben.

Das Publikum bei der Premiere, die am 26. Mai stattfand, überhäufte das Team mit tosendem Applaus und wollte die Protagonisten nicht so schnell gehen lassen. Allein das ist doch ein guter Auftakt für den jungen Gärber. Darauf kann er mehr als stolz sein. Herzlichen Glückwunsch und viel Erfolg für weitere erfolgreiche Produktionen!

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Carmen Steinert und Maike Schroeter sind bei der Premiere überwältigt von dem lauten Applaus.

 

 

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