Es ist ein Frühlingsnachmittag, an dem in Magdeburg schon Sommertemperaturen herrschen. Wer die Möglichkeit hat, genießt das schöne Wetter. Aber nicht alle haben viel von der Sonne. Léa Wegmann z.B. Sie steckt gerade mitten in den Proben zu der Inszenierung von „Zeit der Kannibalen“, welche am 04. Mai 2018 Premiere im Schauspielhaus Magdeburg feiert. Doch obwohl sie gerade viel Zeit im Studio verbringt, strahlte sie wie der Sonnenschein an jenem Nachmittag, als wir uns zum kleinen Plausch verabredeten. Wir entschlossen uns, dass wir im Freien bleiben, sodass wir beide ein wenig Vitamin D tanken konnten. Wir sprachen ganz entspannt über das Stück, ihre Rolle und Frauen in Führungspositionen.
Anna-Lena: Welche Bilder gingen dir durch den Kopf, als du das erste Mal den Titel „Zeit der Kannibalen“ gehört hast?
Léa: Ich wusste ja, dass es ein Film ist. Deswegen schossen mir gleich Bilder dieser ganzen Unternehmenswelt mit schicken Anzügen und Kostümen durch den Kopf. Außerdem habe ich an die Serie „Bad Banks“ gedacht. Da geht es zwar nicht um Unternehmensberater wie in „Zeit der Kannibalen“, aber um Bänker, die sehr beschäftigt sind, viel um die Welt jetten, Deals abschließen und die Menschen eigentlich über den Tisch ziehen. An so etwas habe ich gedacht, als ich gehört habe, dass ich in „Zeit der Kannibalen“ spielen werde. Irgendwie gar nicht an Menschenfresser. (lacht)
Anna-Lena: Worum genau geht es in diesem Stück?
Léa: Es geht um drei Unternehmensberater, die ihren Alltag in Hotels verbringen und dort eigentlich gar nicht mehr rauskommen, egal wo sie auf der Welt sind. Dort beraten sie Kunden und haben via Videokonferenz mit ihrem Chef zu tun. Es geht viel um Macht und Geld. Es ist ein Kampf zwischen den dreien. Wer steigt auf in der Firma? Wie hält man das Niveau? Wie tritt man auf? Wie zieht man die Leute über den Tisch? Zynismus und Kaltblütigkeit gehören in „Zeit der Kannibalen“ zum guten Ton.
Anna-Lena: Du spielst Bianca März, die als Neuling zwei erfahrenen Unternehmensberatern zur Seite gestellt wird. Was ist März für eine Geschäftsfrau mit ihren Stärken und Schwächen?
Léa: Bianca wollte nicht von vornherein Unternehmensberaterin werden. Sie hat erst Medizin studiert. Ich glaube, das ist schon mal eine ihrer Stärken. Sie kommt von woanders und verfolgt ein anderes Ziel, als die beiden Jungs. Als Ärztin wollte sie helfen und dadurch die Welt verbessern. Das versucht sie jetzt über die Schiene der Unternehmensberatung, die nicht unbedingt den Ruf hat, unseren Planeten zu einem besseren Ort zu machen. Bianca ist die einzige Frau in einem Umfeld, welches von Männern regiert wird. So hat sie eine ganz andere Feinfühligkeit für Situationen als ihre männlichen Kollegen. Das ist eine weitere Stärke. Sie weiß schon genau, wie sie sein muss, um neben diesen Jungs zu bestehen und nicht von ihnen geschluckt zu werden. Dadurch ist sie auch ziemlich manipulativ. Sie macht es sich natürlich auch zu Nutzen, dass sie eine Frau ist und ich finde, sie hat recht. Ihre Gefühle muss sie in dieser Welt hinten anstellen, sicherlich auch vernachlässigen. Vielleicht ist das eine Schwäche, denn innerlich brodelt es oft in ihr und richtig glücklich macht sie ihr Leben auch nicht. Man könnte es aber auch als Stärke sehen, dass sie es in dieser ganzen Abgestumpftheit überhaupt noch schafft zu fühlen. Und sei es „nur“ Traurigkeit.

Anna-Lena: März wird ein Teil der Company, um ihre zwei Kollegen zu evaluieren und hat als Frau einen recht hohen Posten. Glaubst du, dass Frauen es noch immer schwierig haben, eine hohe Position im Beruf zu erlangen als Männer?
Léa: Ja. Es ist ja immer noch so, dass Führungspositionen mehrheitlich von Männern besetzt sind. Neulich habe ich eine Dokumentation mit drei Frauen in Führungspositionen gesehen. Die haben alle erzählt, dass du das wirklich wollen musst. Wenn du eine Familie hast, dann musst du auch viele Abstriche machen und super gut organisiert sein. Das ist eine ganz andere Nummer für eine Frau. Du musst von vornherein mehr kämpfen, um dir Gehör und Respekt zu verschaffen, damit dir die Leute vertrauen, deine Kompetenzen sehen, damit sie deinen Anweisungen folgen, damit du nicht als schlechte Mutter da stehst, damit du deinen Haushalt organisiert kriegst, am besten noch fit und sexy bleibst usw. Als Mann ist das meiner Meinung nach noch immer leichter. Aber die Dinge ändern sich ja zum Glück. Hier in Magdeburg bin ich bei meinen Spaziergängen an der Schrote immer wieder sehr überrascht und erfreut über die vielen Papas, die Kinderwägen vor sich rumschieben.
Anna-Lena: Die Produktion wird wieder in der Raumstation „Paradies“ im Schauspielhaus aufgeführt. Inwiefern passt dieses Stück dort hinein?
Léa: Dominic Friedel, unserem Regisseur, war es wichtig, aus dem Textmaterial ein Theaterstück zu machen und nicht den Film nachzuspielen. Wir haben kaum Bühnenbild. Als er das Weltraum-Bild am Boden der Bühne gesehen hat, sagte er gleich, dass es super für das Stück sei, weil es einen Raum öffnet, den der Film nicht hat. Der Film spielt die ganze Zeit in den Hotels und hat eine Begrenzung. Wir haben die Draufsicht auf die Erde und damit die größtmögliche Offenheit. Das totale Gegenteil zu dem Kammerspiel des Films.
Anna-Lena: Was sind deiner Meinung nach die Besonderheiten dieser Inszenierung?
Léa: Dass wir was total anderes machen als der Film. (lacht) Wir können ganz offen arbeiten und selbst auch viel vorschlagen. Wir haben Fremdtexte in die Inszenierung eingebaut. Es ist der Versuch, raus aus den Hotelzimmern zu kommen, in die Welt zu gehen und zu gucken, was diese Geschichte noch alles für Themen berührt. Wenn man die Erwartung hat, den Film nachgespielt zu sehen, dann wird man enttäuscht. (lacht) Und das ist gut.
Anna-Lena: Apropos Erwartungen: „Zeit der Kannibalen“ wird mittlerweile schon in mehreren Theatern aufgeführt. Warum sollten die Leute sich ausgerechnet für einen Besuch der Produktion vom Theater Magdeburg entscheiden?
Léa: Wir haben natürlich fantastische Schauspieler und einen Regisseur, der eine ganz eigene Fantasie mitbringt, die weit über den Film hinausgeht. Wohin? Das wissen wir auch noch nicht. (lacht) Auf jeden Fall können wir nicht ohne die Menschen starten, die wir auf unsere Reise mitnehmen wollen, für die wir uns auf den Weg gemacht haben. Also liebe Leute: Kommt, kommt, kommt! Wir freuen uns auf euch!

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