Manipuliertes Bewusstsein: Stanislaw Lems „Solaris“ am Schauspielhaus Magdeburg

Wenn man heute das Wort „Solaris“ hört, muss man automatisch an den Science-Fiction-Film von 2002 mit George Clooney in der Hauptrolle denken. Eigentlich basiert die Geschichte auf dem Roman des polnischen Autoren Stanislaw Lem und wurde auch schon viele Jahre zuvor verfilmt. Aber es gibt auch eine Bühnenfassung von Tim Staffel. Diese wurde für die Spielzeit 2017/2018 an das Theater Magdeburg geholt und fand in der russisch-französischen Lucie Berelowitsch eine Regisseurin, die sich dem SciFi-Genre annahm. Am vergangenem Wochenende fand die Premiere statt – zwar nicht mit George Clooney in der Hauptrolle, dafür aber mit dem aufstrebenden Theaterschauspieler Lukas Paul Mundas. 

Im Orbit des Planeten „Solaris“ schwebt eine Raumstation. Der Planet, der sonst nur von einem Ozean umgeben ist, wird von einem einzigen Wesen bewohnt, zu denen etliche Forscher schon Kontakt herzustellen versuchten – vergeblich. Als der Psychologe Kris Kelvin (Lukas Paul Mundas) auf die Solaris-Station reist, trifft er dort die Wissenschaftler Sartoris (Zlatko Maltar) und Snaut (Uwe Fischer), die einen ziemlich verstörten Eindruck auf ihn machen. Doch als auf einmal seine verstorbene Frau Harey (Anne Hoffmann) vor ihm steht, beginnt auch er langsam zu begreifen, dass von dem Planeten eine unheimliche Kraft ausgestrahlt wird, die mit der Psyche der Bewohner der Station spielt.

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Der Psychologe Kris Kelvin (Lukas Paul Mundas) betritt die Solaris-Station.; Foto: Andreas Lander

„Solaris“ ist die erste Produktion in der Raumbühne (geschaffen von Christiane Hercher), die perfekt in das Setting passt. Das Gefühl, dass man sich an einem anderen Ort und in einer anderen Zeit befindet, wird in diesem Stück deutlicher als je zuvor. Die Raumstation wird in einem reinen Weiß gehalten. Technische Geräte wie z.B. ein Tablet kommen immer mal wieder zum Einsatz, vor dem die vier Protagonisten stehen, live spielen und nebenbei auf zwei Monitoren übertragen werden. Das Besondere an der Inszenierung von Lucie Berelowitsch ist, dass sie mit dem Komponisten Sylvain Jacques eine durchgängige Soundkulisse schafft, die dem Zuschauer immer wieder ins Bewusstsein ruft, dass er sich an einem ungewöhnlichen Ort befindet. Nimmt man sich die Zeit und hört genauer hin, nimmt man beispielsweise das Surren von technischen Geräten und Stimmen wahr. Das mag wahrscheinlich erstmal gewöhnlich klingen, aber der Einsatz und die Tonalität zeigen, dass es sich nicht unbedingt um für die Erde typische Geräuschkulissen handelt. Diese Atmosphäre schafft durchgehend Spannung. Dazu tragen auch die Themen bei, die von den vier Darstellern immer wieder diskutiert werden. Nach wen oder was sucht die Menschheit abseits der Erde und wie geht sie damit um, wenn sie etwas Ungewöhnliches finden? Eine von vielen philosophischen Fragestellungen, die von den Darstellern aufgezeigt wird. Doch diese philosophischen Dia- und teilweise auch Monologe sorgen nicht nur beim Publikum für eine hohe Aufmerksamkeit, sondern sie fühlen mit und denken selbst über das nach, was sie soeben aufgeschnappt haben. Sie sind teilweise so emotional, dass ein paar der Rezipienten bei der Premiere Tränen in den Augen hatten. Ob Berelowitsch darauf abzielen möchte, bleibt offen.

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Kelvin (Lukas Paul Mundas) weiß nicht, wie seine verstorbene Frau Harey (Anne Hoffmann) auf das Raumschiff gekommen ist. Harey weiß nichts von ihrem Selbstmord.; Foto: Andreas Lander

Lukas Paul Mundas macht in den rund 90 Minuten eine regelrechte Wandlung seiner Person durch. Er betritt die Station mit viel Selbstbewusstsein und Entschlossenheit, doch dieser Eigenschaften ebben nach den Vorfällen immer mehr ab. Mundas‘ Kelvin wird äußerst emotional und hat Schwierigkeiten das Erlebte zu verarbeiten und in den richtigen Kontext zu setzen. In dieser Inszenierung stellt er erneut unter beweis, dass er auch ernste Rollen gut verkörpern kann. Auch Anne Hoffmann entwickelt ihre Harey von der ahnungslosen zur wissbegierigen und eigenständigen Frau. Sie fordert immer mehr Wissen ein, um zu verstehen, wer oder was sie ist. Hoffmann spielt auch diese Rolle mit voller Hingabe und beweist dem Magdeburger Publikum erneut, dass sie ihren Job mit Haut und Haaren liebt. Snaut, der von Zlatko Maltar verkörpert wird, findet sich leicht mit den Dingen ab, so wie sie stehen. Jeglicher Elan ist ihm verloren gegangen. Aber zusammen mit Uwe Fischer sorgt er für den ein oder anderen Lacher aus dem Publikum, wobei Humor in dieser Inszenierung nicht auf der Tagesordnung steht. Fischer wirkt gespalten und panisch, was er nicht nur durch seine Aussagen, sondern auch durch sein unruhiges Auftreten unterstreicht. Alle vier nehmen die Zuschauer mit auf eine ungewöhnliche Reise und schaffen es, sie durchgehend zu fesseln.

Berelowitschs „Solaris“ ist eine spannende Science-Fiction-Inszenierung für das Schauspielhaus in Magdeburg, die sich auch ohne ein George Clooney in der Hauptrolle sehen lassen kann. Dafür gibt es vier Schauspieler, die ihr Werk verstehen und sich auch in die Herzen der Zuschauer spielen können. Durch die Raumbühne ist der Rezipient wieder mitten im Geschehen, statt einfach nur dabei. Dieses Konzept funktioniert noch immer hervorragend und ist beim Publikum sehr beliebt. Außerdem schaffen die Darsteller den Stoff so aufzubereiten, dass er für die ein oder andere kullernde Träne sorgt. Ein Besuch ist definitiv empfehlenswert.

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Auch auf einer Raumstation kann man die Feste nur so feiern, wie sie fallen. (Uwe Fischer, Zlatko Maltar, Anne Hoffmann, Lukas Paul Mundas); Foto: Andreas Lander

Wer sich zusammen mit Kris Kelvin auf die Reise machen und nach unbekannten Bewusstsein suchen möchte, kann sich die Tickets für das Betreten der „Solaris“-Station an der Theaterkasse in Magdeburg oder via www-theater-magdeburg.de sichern.

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