Jeder möchte ab und zu mal aus der Realität flüchten. Vor allem wenn man auf irgendwas keine Lust hat oder lieber etwas anderes unternehmen möchte. Einfach die Wahrheit sagen; das fällt vielen schwer. Wieso nicht einfach eine falsche Identität erschaffen, um eine Ausrede zu finden? Das dachte sich wohl auch Oscar Wilde und schrieb somit die Komödie „Bunbury“, die 1895 seine Uraufführung feierte. Nun ist auch das Stück im Schauspielhaus Magdeburg in der Inszenierung von Matthias Fontheim zu sehen.

Die zwei Dandys Algernon Moncrieff (Christoph Förster) und Jack Worthing (Amadeus Köhli) haben zwei verschiedene Identitäten konstruiert. Während Algernon einen kranken Freund namens Bunbury erfindet, um seinen Verpflichtungen zu entkommen und sich auf dem Land zu amüsieren, spricht Jack immer von einem erdachten, anrüchigen Bruder namens Ernst, um dem langweiligen Landleben zu entkommen und das Nachtleben in der Stadt vollkommen zu genießen. Doch ihr Doppelleben droht aufzufliegen, als Algernons Cousine Gwendolen Fairfax (Pia-Micaela Barucki) sich in Jack und Jacks Mündel Cecily Cardew (Maike Schroeter) sich in Algernon verliebt, da beide Frauen davon ausgehen, dass ihr Verlobter Ernst heißt. Spielt dieser Ernst, den es in Wirklichkeit gar nicht gibt, mit den Gefühlen der zwei jungen Damen?
„Bunbury“ ist ein Stück über Selbstdarstellung. Die Figuren erschaffen eine künstliche Welt, damit sie aus der Gesellschaft flüchten können. Genau so sieht das auch der Regisseur Matthias Fontheim. Aber es geht nicht nur im die Fantasie, die in jedem Menschen steckt. Die Komödie befasst sich auch mit Sprache. Viele Floskeln schleichen sich ein, verbunden mit pointierten Wortspielen. Aber es handelt sich auch um das Dandytum. Sind die Dandys mit der Zeit mitgegangen oder haben sie sich neu erfunden? Diese Frage lässt sich ganz einfach beantworten, wenn man auf die männlichen Figuren schaut. Heute würde man sie als metrosexuell bezeichnen. Mode- und körperbewusste Herren, die immer mit dem Trend mitgehen, ein Auge für Ästhetik und einen Hang zur Selbstinszenierung haben. Das muss aber nicht unbedingt heißen, dass sie homosexuell sein müssen. Genau das gilt für die männlichen Charaktere in diesem Stück. Damit der „Vintage“-Flair mit der Zeit mitgeht, verortet Fontheim das Stück dank des Bühnen- und Kostümbildners Stefan Heyne in ein Ambiente, welches einer Samstagabend-Unterhaltungsshow ähnlich sieht – inklusive Sofalandschaft und Spiegelschwingtüren. So können die Outfits der Darsteller in narzisstischen Posen nochmal in Szene gesetzt werden.

Urkomisch für das weibliche Publikum dürfte der Part sein, in dem sich die edlen Damen darüber Gedanken machen, wie ihr zukünftiger Mann zu heißen hat. Gwendolen könnte sich nicht vorstellen, mit jemandem verheiratet zu sein, der Jack heißt. Der Name Algernon ruft bei Cecily Übelkeit hervor. Beide wollten schon immer mit einem Ernst anbandeln. Dieser Name klingt für beide wie Musik in den Ohren und passt hervorragend zu ihren Namen. Und ja, es ist ein typisches Frauen-Ding. Interessieren wir uns für einen Mann, so sprechen wir unseren und deren Vor- und Zunamen laut aus, um zu hören, wie beide zusammen klingen. Meistens spielen wir jedoch mit den Nachnamen, den wir im Falle einer Heirat annehmen oder ablehnen wollen. Es muss irgendwie stimmig klingen. Das wollen auch Gwendolen und Cecily.

Die Frage, die nicht nur überwiegend im Stück mitschwingt, sondern auch nach der Vorstellung noch im Kopf bleibt: Kann man solch ein Doppelleben auf Dauer wirklich aufrecht erhalten? Vor allem in diesem Zeitalter, wo das Internet unser bester Freund ist und man selbst wie das FBI nachforschen kann. Was ist, wenn jemand mehr über jene Person erfahren möchte, von der man immer und immer wieder spricht; wegen der man die ein oder andere Verabredung sausen lässt? Wie gefährlich ist dieses Spiel? Oder sind mehrere Identitäten vielleicht vorteilhafter, da eine schneller auffliegen könnte? Eigentlich dürfte es nicht mehr leicht sein, ein Doppelleben zu führen. Es kommt nur immer auf die Kreise an, in denen man mit falschen Identitäten spielt.
Eine herrliche Komödie für jedermann. Eine Komödie, die nicht nur unterhaltsame, sondern auch intelligente Dialoge mit sich bringt und ein herrliches Setting und edle Kostüme im Gepäck hat. Vor allem der hochkarätige Cast trägt dazu bei, dass man für 90 Minuten in eine andere Zeit geholt wird, aber dennoch irgendwie im 21. Jahrhundert bleibt. Tickets gibt es entweder an der Theaterkasse oder unter http://www.theater-magdeburg.de.