Eine Freundschaft auf dem Prüfstand – Yasmina Rezas „Kunst“ im Schauspielhaus Magdeburg

Freundschaft spielt eine zentrale Rolle im Leben. Das sagte auch schon Aristoteles. Wie viele Menschen man zu seinem Freundeskreis zählt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Fakt ist, dass niemand gleich ist. Vor allem in Cliquen wird einem dieses Phänomen immer wieder erneut bewusst: Der Extrovertierte, der Schüchterne, der Ja-Sager – die Liste ließe sich noch fortsetzen. Doch in jeder Freundschaft kommt es auch mal zu Auseinandersetzungen. Wenn solche Situationen anstehen, dann kristallisiert es sich meistens heraus, wie stark solch ein Band zwischen zwei oder mehreren Menschen ist. 

 

Ein Bild mit einer Fläche von 1,20 mal 1,60 Metern, welches komplett weiß ist. Zumindest für einen Menschen, der keine Ahnung von Kunst hat, ist es komplett weiß. Serge (Daniel Klausner) dagegen sieht mehr hinter diesem Gemälde, welches er für 200.000 Francs erstanden hat. Sein Freund Marc (Ralph Opferkuch) kann diesen Kauf nicht nachvollziehen, bezeichnet ihn als „einen Scheiß“ und stellt diesen infrage. Damit bringt er Serges angekratztes Ego zum Bröckeln und entfacht eine sich immer mehr zuspitzende Diskussion. Und dann ist da auch noch ihr gemeinsamer Freund Yvan (Lukas Paul Mundas), der selbst mit seinen unglücklichen Familiengeschichten zu kämpfen hat und seinen Kumpels immer nach dem Mund redet. Die Situation eskaliert und sogar die Fäuste fliegen.

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Ist die Freundschaft zwischen Yvan (Lukas Paul Mundas), Marc (Ralph Opferkuch) und Serge (Daniel Klausner) vorbei? – Foto: Nilz Boehme

Jeder hat Erfahrungen mit Konflikten gemacht. Je älter und reifer man wird, desto mehr kristallisieren sich auch die wahren Freundschaften heraus und es wird einem bewusst, dass man einer Person, der man sehr nahe steht, nicht so einfach irgendwelche Dinge an den Kopf wirft, die so nicht stimmen. Und wenn es doch der Fall sein sollte, dann meistens nur aus dem Grund, weil man sich in Rage redet. Dies ist auch bei den drei Figuren von Yasmina Rezas Werk „Kunst“ der Fall. Die Hauptfiguren können verschiedener nicht sein – und trotzdem führen sie seit über 15 Jahren eine tiefe Freundschaft zueinander, die aber immer mehr zu zerbrechen beginnt. Sie entdecken Seiten an den anderen, mit denen sie nicht ganz konform sind. Während Marc seinem Freund ganz ehrlich sagt, dass er so viel Geld für eine weiße Leinwand aus dem Fenster geworfen hat, sucht dieser durch sein angekratztes Ego nach Dingen, mit denen Serge auch bei Marc den inneren Vulkan zum Ausbrechen bringen kann. Yvan steht ein wenig zwischen den Stühlen. Er liebt seine zwei engsten Freunde und versucht es beiden recht zu machen. Eine eigene Meinung hat er meistens nicht. Das bringt nun wieder Marc und Serge zum Kochen. Bei einem gemeinsamen Männerabend spitzt sich die Lage zu. Alles muss raus. Doch irgendwann drohen die Anschuldigungen lächerlich zu werden oder gehen gar unter die Gürtellinie.

Wenn man einen Menschen fragt, was ihm besonders wichtig in einer Freundschaft ist, dann hört man von den meisten das Wort „Ehrlichkeit“. Ehrlichkeit. Ehrlichkeit ist also eine der wichtigsten Komponenten für eine enge Freundschaft. Früher oder später wird eine Bindung durch diese Zutat auf den Prüfstand gestellt. Denn wenn man selbst mal darüber nachdenkt und einige bestimmte Situationen aus seinem eigenen Leben reflektiert, merkt man vielleicht, dass Ehrlichkeit in einigen Fällen nicht das ist, was man unbedingt hören möchte. Ehrlichkeit ist nicht, wenn man jemanden das ins Ohr flüstert, was derjenige unbedingt hören möchte. Ehrlichkeit ist, wenn man auch mal Kritik oder Unverständnis in Kauf nehmen muss, aber die Meinung des anderen akzeptiert. Ein wahrer Freund kann damit umgehen und dem ist auch bewusst, dass sein Gegenüber nur das Beste für einen möchte.

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Serge (Daniel Klausner) sucht bei seinem Freund Yvan (Lukas Paul Mundas) nach Bestätigung für das teure Bild. – Foto: Nilz Boehme

Mit Daniel Klausner, Ralph Opferkuch und Lukas Paul Mundas hat Regisseur David Schliesing drei hervorragende Schauspieler gefunden, um die weltweite Kultkomödie für das Theater Magdeburg präsent und spannend zu gestalten – und das rund 90 Minuten. Drei komplett verschiedene Charaktere, die das Publikum jeder für sich mit in den Bann reißen. Man kann über sie schmunzeln, schüttelt aber doch auch ab und zu den Kopf, wenn man den Eindruck hat, dass sie wirklich überreagieren. Das Los für den Publikumsliebling hat möglicherweise Lukas Paul Mundas mit der Figur des Yvan gezogen. Mit seiner schreckhaften und leicht verpeilten Art zieht er die Zuschauer in seinen Bann. Doch was jeder einzelne Schauspieler mit seinem Charakter, den er verkörpert, auszeichnet: Der Beobachtende findet sich möglicherweise das ein oder andere Mal in einer Figur wieder oder erinnert sich an einen Konflikt, den sein Kumpane einst hatte. Der Charme geht bei den Diskussionen jedoch nicht verloren. Die Quintessenz sollte dem Zuschauer nach dem Stück definitiv klar sein.

Wer also damit rechnet, dass es in „Kunst“ wirklich um Kunst dreht, liegt da komplett falsch. „Kunst“ befasst sich viel mehr mit Freundschaften, die irgendwann zerbrechen zu drohen, wenn man nicht immer ehrlich und aufrichtig zueinander ist. Die Komödie zeigt, wie viel wahre Freundschaften wirklich aushalten. Ein Stück, welches wie für die Magdeburger Bühne gemacht ist. Kurz gesagt: „Kunst“ ist Kunst und kann nicht weg, sondern sollte von Jung und Alt gesehen werden, um die Leute schätzen zu lernen, die man um sich hat oder in der Zukunft um sich haben möchte.

 

Tickets unter http://www.theater-magdeburg.de.

 

 

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