Die letzte Premiere am Schauspielhaus Magdeburg in der Spielzeit 2018/2019 wurde mit einer Uraufführung gefeiert. Wolfgang Krause Zwieback bringt mit „Tanz im Netz“ ein theatrales Sinnspiel auf die Bühne, welches viel Raum für Fantasie benötigt.
Worum es sich bei „Tanz im Netz“ dreht, ist schwer zu sagen. Es ist kein klassisches Theaterstück im herkömmlichen Sinne. Denn die fünf Protagonisten erzählen vielmehr in Monologen über Erinnerungen, Träume und ganz persönliche Sichten auf alltägliche Dinge. Zusammenhänge treten dabei in den seltensten Fällen auf.

Krause Zwieback hat sich einen Namen als Regisseur, Autor, Schauspieler, Performer, Bühnen- und Kostümbildner sowie als Grafiker gemacht. Dass er in all diesen Sparten sein Handwerk versteht, lässt er in seiner Uraufführung von „Tanz im Netz“ exzellent einfließen. Er eröffnet mit seinen teilweise skurrilen Gedankengängen neue Welten, schenkt aber auch alltäglichen Sachen eine größere Aufmerksamkeit, die sonst eher selten so intensiv unter die Lupe genommen werden. Er sieht etwas, was nur wenig Menschen sehen und teilt dies mit den Zuschauern auf der Leinwand, die sich im Hintergrund befindet und deren Darstellungen fast immer zur jeweiligen Erzählung passen. Seine Akteure fordert er mit Wortakrobatik heraus, die sich innerhalb eines digital projizierten Netzes, was in der Produktion einen Antennenkäfig darstellen soll, bewegen. Die wenigen Requisiten, die sich auf dem Spielplatz befinden, sind durch ihr schlichtes Erscheinungsbild vielseitig einsetzbar. Was im ersten Moment noch ein herkömmlicher Koffer war, wird in der nächsten Sekunde zur Schrankschublade. Die Kostüme unterstreichen bei jeder auftretenden Figur die Eigenschaften, die sie auszeichnen.
Besonders hervorzuheben ist hier jedoch die intensive sprachliche Leistung, die Krause Zwieback mit den fünf Schauspielern in der Probenzeit erarbeitet hat. Denn die Texte des Autors verfolgen keinen klaren Gedankengang und sind gerade auch wegen den vielen Wortspielen und der -akrobatik nicht einfach zu merken. Gerade hier beweist der Regisseur enorm viel Feinfühligkeit und Liebe zum Detail. Es ist eine intensive Zusammenarbeit zwischen ihm und den Schauspielern zu erkennen, da er die Stärken jedes einzelnen Künstlers in seiner Inszenierung hervorhebt. Marian Kindermann als Hartmut Schafswinkel ist der Leiter des Antennenkäfigs und versucht an einer neuen Idee zu arbeiten, die ihm körperlich alles abverlangt. Trotz seines rauchenden Kopfes schafft Kindermann es trotzdem, charismatisch zu bleiben, teilt mit dem Publikum seine besten Tanzmoves und flirtet mit den Augen. Mit der Figur Alexander Schiefer-Kern tritt Ralph Opferkuch als ein Allround-Künstler auf, der er auch in der Realität ist. Neben seinen Kompositionen teilt Opferkuchs Schiefer-Kern auch seine absurden Ess- und Trinkgewohnheiten mit den Zuschauern, die er praktiziert, um sein Lampenfieber zu bekämpfen. Maike Schroeter alias Ulla Netzehändel wurde das Vernetzen in die Wiege gelegt. Sie ist neugierig auf die Welt und ist gefühlt überall. Durch die vielen Eindrücke, die Netzehändel gewinnt, spürt man, wie Schroeter den leer gegangenen Akku ihrer Figur neu auflädt und bereit für neue Abenteuer macht. Mit Uli Seidenspinner hat Krause Zwieback in Oliver Niemeier ebenfalls einen wandelbaren und charismatischen Schauspieler für die Rolle finden können. Niemeier verleiht seiner Rolle unfassbar viele Facetten, ist vielleicht auch der wandelbarste auf der Bühne des Studios, ohne dabei viel zu tun. Besonders eindrucksvoll ist seine Gabe, dass er den Zuschauenden auf eine überzeugende Weise Sachen vermitteln kann, von denen er eigentlich selbst keine Ahnung hat. Seidenspinner weiß sich zu verkaufen. Auch seine Sprachakrobatik und der Einsatz verschiedener Stimmlagen hinterlassen beim Publikum einen besonderen Eindruck. Doch der heimliche Star dieser Aufführung ist Iris Albrecht, die als Aggregathe auftritt. Aggregathe ist vielmehr ein Wesen, welches die Fähigkeiten besitzt, ihren Aggregatzustand zu wechseln. Dabei erzählt sie von ihren lückenhaften Erinnerungen und ist immer in Bewegung. Ihre Figur ist bizarr und liebenswürdig zugleich. Denn auch Albrecht schafft es vor allem das Publikum mit der Situationskomik und einigen nebensächlichen Kommentaren zu unterhalten, die fast schon improvisiert wirken. Ein besonderes Highlight stellt dabei die von ihr aufgeführten Alofoten-Rituale dar.

Wolfgang Krause Zwieback bringt mit seiner Uraufführung von „Tanz im Netz“ ein experimentelles Sinnspiel auf die Bühne, welches mit Kindermann, Albrecht, Opferkuch, Niemeier und Schroeter grandios besetzt ist. Der Besucher bekommt zu spüren, mit welcher Intensität der Autor und seine Schauspieler den Text gemeinsam komplettiert und den jeweiligen auftretenden Figuren und ihren Fantasiewelten Leben eingehaucht haben. Das Stück ist geprägt von anspruchsvollen Sprachbildern, Wortgerüsten und dadaistischen Momenten, wo eingefleischte Theatergänger auf ihre Kosten kommen werden. Lachen ist damit ebenfalls vorprogrammiert. Es ist schon etwas traurig, dass es die letzte Produktion der Spielzeit 2018/2019 ist, für die es insgesamt nur fünf Termine gibt. Wer sich diesen Abend nicht entgehen lassen möchte, muss also schnell sein. Dabei ist der Erwerb des Programmhefts ebenfalls Pflicht. Denn auch dort kommt der Spaß der Produktion nicht zu kurz.