Todgeweihte Zeitzeugen: „Karl und Rosa. Für Geister Eintritt frei“ am Schauspielhaus Magdeburg

Im Januar des aktuellen Jahres jährte sich die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht zum 100. Mal. Um die Geschichte nicht zu vergessen und der aktuellen Generation nochmal zu zeigen, was sich von November 1918 bis Januar 1919 zugetragen hat, nahm sich die deutschsprachige Gegenwartsdramatikerin Felicia Zeller den vierten Band aus Alfred Döblins Roman-Reihe „November 1918“ zur Hand und kreierte eine Bühnenfassung. Diese bringt sie nun erstmals in der Regie von Marie Bues ins Studio des Magdeburger Schauspielhauses. 

Als politische Gefangene sitzt Rosa Luxemburg (Monika Wiedemer) im Gefängnis. In der Zwischenzeit machen sich Soldaten an der Front zum Abmarsch bereit. Durch die Isolation plagen sie Halluzinationen. Vor allem stattet ihr der Geist von Hannes Düsterberg (Björn Jacobsen) immer wieder einen Besuch ab. Am 9. November 1918 wird die Republik ausgerufen – auch von Karl Liebknecht (Christoph Förster). Nachdem Rosa aus ihrer Haft entlassen wird, schließt sie sich ihrem Genossen an. Aufgrund der Novemberrevolution überschlagen sich die politischen Ereignisse. Die Massen demonstrieren auf den Straßen. Irgendwann müssen Karl und Rosa einsehen, dass sie kein sicheres Leben mehr führen.

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Rosa (Monika Wiedemer) versucht die Halluzination ihres gefallenen Geliebten Hannes (Björn Jacobsen) zu erwürgen. Foto: Nilz Böhme

Es ist schon fast erschreckend, wenn man aktuell Schüler über die geschichtlichen Ereignisse aus Deutschland sprechen hört, die sich in den vergangenen 100 Jahren zugetragen haben. Auffällig dabei ist, dass vor allem der Zweite Weltkrieg detailliert im Unterricht analysiert wird. Namen wie Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht oder Friedrich Ebert kennen die Schüler überwiegend nur von Straßennamen oder nur einzelne Stichpunkte. Doch die Revolution 1918 kennen sie nur flüchtig. Dabei bietet der Stoff viel Diskussionsbedarf und ist dem Diesseits gar nicht mal so fern. Autorin Felicia Zeller hat es sich zur Aufgabe gemacht, mit der Bühnenfassung von Alfred Döblins Roman „Karl und Rosa“ auf dieses spannende Kapitel der deutschen Geschichte wieder einen intensiveren Augenmerk zu legen. Da eignet sich ein Schauspiel bestens, um die Ereignisse anschaulich darzustellen. Das Ergebnis ist ab jetzt in der Regie von Marie Bues am Schauspielhaus Magdeburg zu sehen. Dabei legt Bues den Fokus nicht allein auf die politischen Aspekte. Viel mehr rückt sie die Identifikation mit den handelnden Protagonisten in den Vordergrund.

Bemerkenswert ist, dass die verschiedenen Figuren von nur fünf Schauspielern verkörpert werden. Dabei spielen deutlich mehr als fünf Protagonisten eine Rolle in der Produktion. Die Darsteller müssen stetig ihre Charaktere wechseln. Dabei geht es nicht nur um bedeutende Persönlichkeiten der Zeitgeschichte, sondern auch eigens für die Inszenierung kreierte Figuren, welche die Handlung sinnvoll vorantreiben sollen. Dies gelingt ihnen äußerst gut, doch leider nicht ausreichend. Dies kann möglicherweise daran liegen, dass ihnen viel zu wenig Hilfsmittel geboten werden, um mehr Klarheit beim Rezipienten zu schaffen. Es ist nicht verwunderlich, wenn so mancher Part durch die vielen Dialoge und Monologe untergeht, weil die Ereignisse rastlos sind und eine neue Handlung direkt an eine weitere anknüpft. Und um wen geht es da gerade eigentlich? Das Unterscheiden der einzelnen Akteure ist teilweise schier unmöglich, da die Wechsel meistens abrupt erfolgen. Den Schauspielern wird in der Zeit eine Menge abverlangt – doch jeder einzelne liefert ab. Beeindruckend sind vor allem die Stellen, an denen sie gemeinsam im Chor sprechen. Nicht nur stimmlich sind sie eine Einheit, sondern auch in ihren Kostümen, die einer Uniform ähneln. Trotz des vielen und nicht immer einfachen Textes spürt man die Energie, die sie miteinander und somit auch mit der Geschichte verbindet.

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Karl und Rosa (Christoph Förster, Monika Wiedemer). Foto: Nilz Böhme

„Karl und Rosa. Für Geister Eintritt frei“ bringt monumentale Ereignisse mit einfachen Mitteln auf die Bühne. Trotz des komplexen Inhalts werden hier wichtige Stationen der Novemberrevolution angeschnitten, die bei der jüngeren Generation mehr Interesse für die deutsche Geschichte um 1918 und 1919 entwickeln sollte. Mit der Produktion kann ein Weg geebnet werden, dass dieser Zeitraum wieder detaillierter im Geschichtsunterricht besprochen wird. Obwohl sich das Stück an manchen Stellen ein wenig in die Länge zieht und die geschichtlichen Ergüsse zum Überlaufen drohen, kommt dann ab und zu eine kleine unerwartete Showeinlage, welche die Schwere für einen Moment nimmt. Auch Lachen ist erlaubt.

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