Die 24. Magdeburger Telemann-Festtage sind angebrochen und in Zusammenarbeit mit dem Theater Magdeburg wird eine außergewöhnliche Musiktheaterproduktion auf die Bühne des Opernhauses gebracht. Der gebürtige Magdeburger Komponist Georg Philipp Telemann bearbeitete das Werk seines Freundes Georg Friedrich Händel mit dem Originaltitel „Der misslungene Brautwechsel oder Richardus I., König von England“, welches hier als „Richard Löwenherz“ bekannt ist, für die deutsche Bühne.
Der englische König Richard I. „Löwenherz“ (Johannes Wollrab) will sich auf Zypern mit der Berengera von Navarra (Juliette Allen) verheiraten. Beide kennen sich aber noch nicht. Da sich der tyrannische zyprische Herscher Isacius (Lois Roullier) auch in die Berengera verliebt hat, stellt er Richard seine Tochter Formosa (Raffaela Lintl) als seine zukünftige Frau vor. Formosas Herz schlägt allerdings für ihren Verlobten Orontes (Filippo Mineccia). Lange kann Isacius den englischen König nicht täuschen.

„Richard Löwenherz“ ist Musiktheater, auf das man sich normalerweise freut, wenn es irgendwo neu im Spielplan auftaucht. Auch in der Landeshauptstadt Sachsen-Anhalts erwartete man diese Produktion, die unter der Regie von Michael McCarthy stand. Doch leider wurden die Erwartungen des Premieren-Publikums nicht vollends erfüllt. Die drei Stunden zogen sich extrem in die Länge. So richtig rund ist McCarthys Inszenierung nicht. Das mag wahrscheinlich auch an dem etwas schwachen Bühnenbild von Simon Banham liegen. Dieses besteht überwiegend aus riesigen barocktypischen Wolkenprospekten, die je nach musikalischer Stimmung immer mal wieder auf- und abschweben. Und eine goldene Wasserschüssel befindet sich ebenfalls die ganze Zeit auf der Bühne, findet aber kaum Beachtung. Requisiten werden von Bühnenarbeitern auf die Bühne getragen. Nichts wirklich Ungewöhnliches, aber es wirkt komisch, wenn man aus deren Gesichtern ablesen kann, dass sie sich selbst fragen, was sie da gerade dort machen. Auch Banhams Kostüme wollen nicht so ganz in die Barock-Zeit passen, die sich viele Telemann- und Händel-Anhänger für diese Oper vorgestellt haben. Hier ist alles ein bisschen anders und möchte den Zuschauer nicht komplett befriedigen.

Doch es ist nicht grundsätzlich alles schlecht. Stimmlich gesehen stehen für diese Produktion renommierte Künstler auf der Bühne. Johannes Wollrab in der Titelrolle besitzt eine mächtige Präsenz und überzeugt mit kraftvollem Bariton. Da verzeiht man es ihm gerne, wenn er die barockischen Verzierungen mit seiner Stimme noch nicht komplett umsetzen kann. Als Berengera von Navarra verzaubert die belgische Sopranistin Juliette Allen das Magdeburger Publikum. Ihre Arien klingen zart und geschmeidig. Genau wie die von Raffaela Lintl, die Formosa verkörpert. Sie verleiht ihrer Stimme noch mehr Substanz. Obwohl sie viel Geschmeidigkeit in ihre Stimme legt, schafft sie auch den Spagat zu etwas mehr Dramatik, wenn es in der Handlung gefordert wird. Technische Perfektion kann man bei Filippo Mineccia erwarten. Er ist wahrscheinlich der heimliche Star dieser Aufführung, obwohl er als Orontes viel zu wenig auf der Bühne steht. Mineccia ist ein Countertenor, wie er im Buche steht. Seine kraftvolle Stimme und sein Charisma hinterlassen bei den Zuschauern einen Wow-Effekt.

Sobald Alexia Macbeth als Gelasius und Marco Angioloni als Murmilla sich bemerkbar machen, darf dann auch mal geschmunzelt werden. Ihre bissigen Kommentare lockern das bisher Geschehene auf der Bühne auf. Außerdem machen sie eine gute Figur im Geschlechtertausch.
Ebenfalls hörenswert sind die Klänge der Magdeburgischen Philharmonie und der „Opera Fuoco“. Dieses zusammengesetzte Orchester unter der Leitung von David Stern unterstreicht die einzelnen Arien. Die Musik ist frisch und belebend. Besonders schön ist es, wenn Solo-Instrumentenklänge ihren Einsatz finden. Stern brilliert mit diesem Orchester und stellt erneut unter Beweis, dass er ein Spezialist seines Faches ist.
Die Inszenierung von McCarthys „Richard Löwenherz“ mag zwar das Publikum spalten, aber es ist dennoch kein kompletter Reinfall. Wenn man ein Auge bei der Handlung und dem kargen Bühnenbild zudrücken kann, wird man auf jeden Fall gesanglich und instrumental gesehen auf seine Kosten kommen.