Abgepfiffen: Was passiert gerade im deutschen Profifußball?

Es ist kein Geheimnis, dass ich mein Herz nicht nur ans Theater, sondern auch an einen ganz bestimmten Fußballverein verloren habe: dem 1. FC Magdeburg. Keine Worte der Welt können beschreiben, wie ich mich am 21. April 2018 gefühlt habe, als der Club vorzeitig in die 2. Bundesliga aufgestiegen ist. Jedes Mal, wenn meine Gedanken zu jenen Momenten zurückschweifen oder ich Bilder und Videos sehe, bekomme ich noch heute Gänsehaut. Dass der Verein auch noch Meister aller Klassen wurde, war noch die Krönung des Ganzen. Vier Monate später fiel dann der Startschuss in Liga 2. Nach vier Spieltagen und einem DFB-Pokalspiel ist man in Magdeburg schon ein wenig frustriert. Zwei verlorene Matches, zwei Remis und das frühzeitige DFB-Pokal-Aus sorgen nicht gerade für ausgelassene Feierstimmung. Auch ich bin nicht ganz so glücklich über die derzeitige Situation. Das hat auch seine Gründe.

Dass die 2. Bundesliga kein Zuckerschlecken wird, war allen von Anfang an klar. Die Spieler müssen sich erst auf die neue Situation einstellen. Was der Verein bis jetzt schon beweisen konnte: Er kann auf jeden Fall in Liga 2 mitmischen. Die Mannschaft ist stark aufgestellt und viele Spieler zeigen auch, dass sie den Willen haben, den Klassenerhalt zu schaffen. Mir bereitet es vor allem Freude, wenn ich die starken Zweikämpfe beobachten kann. Es läuft vieles gut, aber manche Sachen auch nicht ganz optimal. Und manchmal hat es eben nicht was mit einer spielerischen Leistung zu tun. Ganz ehrlich: Ich bin kein Freund davon, die Schuld auf das Schiedsrichtergespann zu schieben und ich akzeptiere auch jeden Pfiff gegen meine Mannschaft, der gerechtfertigt ist. Fakt ist nämlich, dass auch die Spieler des 1. FC Magdeburg nicht immer korrekt agieren oder auch mal im Abseits stehen usw. Da muss man halt ehrlich sein, weil es da nicht um die Liebe zum Verein geht, sondern nun mal um den Sport, der auf dem Platz gespielt wird. Sympathie hin oder her. Trotzdem brodelt es in mir, wenn ich an zwei bereits vergangene Spiele zurückdenke, was die ein oder andere Entscheidung der Schiedsrichter betrifft.

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Kein Foul? Über diese Szene wird noch immer heiß diskutiert.; Foto: Sportfotos MD

Obwohl Fußball eigentlich ein Männersport ist und das fachliche Wissen von Frauen häufig belächelt wird, da das starke Geschlecht meistens davon ausgeht, dass sie einen Verein nur aufgrund der Attraktivität mancher Spieler feiern, heißt es nicht automatisch, dass alle Frauen so sind. Es gibt viele weibliche Anhängerinnen, die kompetente Fachkenntnisse verfügen. Ich persönlich würde mich jetzt nicht als absolute Fußball-Expertin bezeichnen, aber ich bin schon mit den Spielregeln des Sports vertraut und würde auch behaupten, dass ich schon in der Lage bin, die Entscheidungen von Schiedsrichtern einzuschätzen und wettere nicht gegen sie, wenn ein Pfiff mal gegen meinen Verein ertönt. Es sollte halt nur gerechtfertigt sein. Natürlich sind Schiedsrichter auch nur Menschen und können ihre Augen nicht überall auf dem Platz haben. Aber wenn sich die Anzahl der Fehlentscheidungen in einem Spiel häuft, kann auch ich nicht immer ganz sachlich auf dem Zuschauerrang bleiben. Zum Einen war da das DFB-Pokalspiel gegen Darmstadt 98, wo ich erstmals keine Worte für manche Entscheidungen der Schiedsrichter finden konnte. Ich war nicht wütend darüber, dass mein Verein schon in der ersten Runde aus dem Wettbewerb flog, sondern über die Art und Weise, wie es zustande kam. Aber ich bin eigentlich davon ausgegangen, dass es so schnell nicht mehr zu so vielen Fehlentscheidungen kommen würde. Doch ich sollte mich täuschen. Schon das nächste Spiel in der Liga trieb mich nicht nur innerlich zur Weißglut, sondern ich schrie mir meinen Frust und mein Unverständnis für das Geschehen aus dem Leib. Wer das Spiel gegen Ingolstadt nicht mehr auf dem Schirm hat, dem empfehle ich das Nachlesen von vertraulichen Quellen. Aber das, was das Schiedsrichtergespann an jenem dritten Spieltag ablieferte, löste nicht nur in mir, sondern auch bei vielen anderen Fußballfans (auch aus anderen Fanlagern) eine unbeschreibliche Wut aus. Mich ließen diese Szenen, die sich in der MDCC-Arena abspielten, so schnell nicht mehr los. Erstmalig recherchierte ich über einen Schiedsrichter und stieß auch auf vertrauliche Quellen, die bestätigten, dass dieser Schiri schon mal aufgrund diverser Fehlentscheidungen für einen bestimmten Zeitraum eine Sperrung seiner Tätigkeit erhalten hat. Mir fiel ebenfalls auf, dass er aus der Nähe von Ingolstadt kam und er rein theoretisch dieses Spiel nicht hätte pfeifen dürfen. Außerdem schaute ich nach, welche Stimmen es zum vergangenen Spiel gab und ich war heilfroh darüber, dass der Assistent der Geschäftsführung, Maik Franz, ebenfalls seinen Emotionen öffentlich freien Lauf ließ. Gleichzeitig bewunderte ich Trainer Jens Härtel, der kein böses Wort über die Vorfälle verlor. Härtel geht mit solchen Vorfällen immer äußerst professionell um. Doch ist es immer angebracht, in dem Business Gras über solche Vorfälle wachsen zu lassen?

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Ex-FCM-Liebling Felix Schiller steht seit der aktuellen Saison beim Drittligisten VfL Osnabrück unter Vertrag.; Foto: VfL Osnabrück

Deutsche Fußballfans wünschen sich mehr Typen. Typen, die für ihren Verein auf und neben dem Platz des letzte Hemd für die komplette Mannschaft geben würden. Diese Spieler gibt es tatsächlich. Für den 1. FC Magdeburg geht beispielsweise Abwehrchef Dennis Erdmann ins Rennen. Schon mit der Bekanntgabe seiner Verpflichtung war den Blau-Weißen klar, dass jemand auf den Platz stehen wird, der als Stier gegen elf Toreros kämpfen und auch die ein oder andere gelbe Karte kassieren wird. Eine Saison später gehört Erdmann zu einem der Spieler, auf den die Fans nicht mehr verzichten wollen. Auch in der Vergangenheit gab es Spieler beim FCM, die dafür standen, dass sie sich nicht nur mit den Vereinsfarben, sondern auch mit dem Sport identifizieren konnten. Dazu gehörte beispielsweise Felix Schiller. Auf die ehemalige Rückennummer 5 konnte man immer zählen. Leider wurde er immer wieder durch sämtliche Verletzungen zurück auf die Bank geschickt, die er sich während des Trainings oder der Spiele zuzog. Schon vor dem Aufstieg in die 2. Bundesliga gab er bekannt, dass er für die nächste Saison nicht mehr für den 1. FC Magdeburg auflaufen werde. Die Fans waren traurig über die Entscheidung, ihn nicht weiter zu verpflichten – inklusive mir. Aber Felix Schiller wird für die Magdeburger Fans unvergessen bleiben – und andersrum genauso. Schon wenige Wochen nach seinem Start beim VfL Osnabrück erntete er Negativ-Schlagzeilen, da er ein Video veröffentlichte, in dem er nachts etwas angetrunken durch die Straßen seiner neuen Wahlheimat lief, seine ewige Liebe dem Ex-Verein gestand und den neuen beleidigte. Natürlich ist das für einen Magdeburg-Fan erstmal Balsam für die Seele, aber hier hat Schiller ganz klar etwas unüberlegt gehandelt. Er entschuldigte sich für sein Benehmen und wer den Innenverteidiger ein wenig kennt, der weiß auch, dass er diese Entschuldigung ernst meint. Auch er wird für seinen neuen Verein alles geben.

Eine Saison früher musste Jan Löhmannsröben sich vom 1. FC Magdeburg verabschieden. Auch er zählte zu den Spielern, für die Fußball eine Leidenschaft und der jeweilige Verein eine Familie ist. Deswegen zählte er auch in Magdeburg zu den beliebtesten Spielern. Aber auch Löh, wie er von vielen genannt wird, trägt keine reine Weste. Zumindest was Schlagzeilen betrifft. Nach seinem FCM-Aus ging ein Video aus dem alljährlichen Ballermann-Trip viral, in dem er in einem Hauch von Nichts in der Öffentlichkeit eine kleine Tanzeinlage gab. Natürlich kann man wieder darüber streiten, dass ihm bewusst sein sollte, dass er in der Öffentlichkeit steht und solche Ausrutscher in wenigen Sekunden in aller Munde sein können. Dennoch ist auch Jan Löhmannsröben nur ein Mensch, der nicht perfekt ist und auch mal Fehler macht. Auch Schiedsrichter sind nur Menschen und ihnen können auch die ein oder anderen Aktionen entgehen. Ah, da kreuzt sich ja gerade was. Aktuell ist ja Löh wieder in aller Munde – und auch ein Schiedsrichter ist in dieser mit verwickelt. Der defensive Mittelfeldspieler, der seit dieser Saison beim 1. FC Kaiserslautern unter Vertrag steht, sorgte am vergangenen Sonntag nach dem Unentschieden gegen FSV Zwickau für einen erneuten Eklat. Er wurde von dem Zwickauer Stürmer Ronny König mit dem Ellenbogen ins Gesicht gefoult. Doch anstatt einen Freistoß für den FCK, gab es einen Elfmeter für den FSV, da der Schiedsrichter Löhs Reaktion auf das Foul als Handspiel geahndet hat. Mit diesem Elfmeter sind Kaiserslautern wichtige Punkte flöten gegangen, da mit dieser Aktion der Ausgleich fiel. Wieder einmal war eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters dafür verantwortlich. Nach dem Spiel wurde Löhmannsröben zu dem Vorfall interviewt und konnte seine Emotionen nur gering im Zaum halten. Wer einen Jan Löhmannsröben verpflichtet, der müsste mittlerweile auch wissen, dass er nicht gerade zu denjenigen zählt, der Standard-Sätze für solche Situationen aus dem Gedächtnis abspult. Ein Jan Löhmannsröben wirft auch nicht mit hochstochernden Begrifflichkeiten um sich, sondern benutzt auch manchmal Ausdrücke, die für einige befremdlich oder gar unbekannt sind. In seiner Wutrede bei Telekom Sport nach dem Spiel sagte er über den Schiri: „Wenn das ein Schiedsrichter ist, soll er erstmal Cornflakes zählen gehen.“ Über diesen Ausdruck beömmelt sich das ganze Netz. Sogar erste Kampagnen werden zur Vermarktung von Produkten und der Verbreitung des Ausdrucks benutzt. Auf dem Instagram-Kanal des Halleschen FC sieht man sogar jemanden in der Story Cornflakes zählen. Während die meisten Leute über den Ausdruck schmunzeln, leitete der DFB Kontrollausschuss eine Ermittlung gegen den Sportsmann ein. Auch der 27-jährige Mittelfeldspieler entschuldigte sich in einem Statements bereits für sein Verhalten.

Und das sind sie also, die „Typen“, von denen immer gesprochen wird. Diese Typen, die nicht nur 100 Prozent hinter ihrem Verein stehen, sondern auch den Sport lieben und leben. Sie legen ihre ganze Energie in das Spiel und kämpfen nicht für sich selbst, sondern für die komplette Mannschaft und alle, die hinter ihnen stehen. Aber am Ende des Tages sind es auch wieder diejenigen, an denen rumgemäkelt wird, weil sie für ihren Verein, den Sport und für Gerechtigkeit brennen. Ich würde mehr Verständnis dafür aufbringen, wenn wirklich extreme Beschimpfungen in Kommentaren mit ins Spiel kommen würden. Wenn ich mir das Interview von dem „Cornflakes-Eklat“ ansehe, dann kann ich für meinen Teil keine Beleidigungen heraushören. Kann man „Cornflakes-Zähler“ als eine strafbare Beschimpfung oder den Wunsch, dass jemand eine Woche nicht richtig schlafen kann, als Drohung oder ähnliches ansehen? Meines Erachtens gibt es wirklich wichtigere Angelegenheiten, die man genauer unter die Lupe nehmen sollte. Vielleicht wäre es ratsam, wenn der DFB sich mal mehr mit den Arbeiten seiner Schiedsrichter auseinandersetzen würde. Da gibt es viel mehr Diskussionsbedarf.

Fußball ist ein Sport, der mit Emotionen verbunden ist und auch davon lebt. Diese Emotionen gehen nicht nur von den Fanlagern aus, sondern auch von den Mitspielern der jeweiligen Vereine. Es sind Emotionen, die einen als echter Fan des Sports immer begleiten werden. Fußball ist ein Wettkampf, wo jeder natürlich so weit oben wie möglich auf der Tabelle stehen möchte. Natürlich ist man auch in erster Linie immer für den eigenen Verein. Doch echte Fans und Leute, denen die Spielregeln des Sports vertraut sind, stehen auch dazu, wenn etwas mal nicht zugunsten ihres Clubs verläuft, solange es fair bleibt. Aufreger gibt es immer. Aber Fußball sollte auch nicht nur beim Spielen, sondern auch beim Konsumieren Spaß machen. Über kleine Wutausbrüche ohne strafbare Beleidigungen sollte nicht gleich verhandelt werden. Der Fokus liegt doch eigentlich ganz woanders.

Meine Meinung ist eine unter vielen. Mit diesem Thema könnte man auch locker einen Abend oder auch einen dicken Wälzer füllen – bzw. ich könnte das. Aber ich möchte mich nicht dauerhaft darüber aufregen. Dennoch finde ich es irgendwo wichtig, dass man darauf aufmerksam macht, dass es schwerwiegendere Probleme im deutschen Profifußball gibt, zu denen nicht das Cornflakeszählen gehört.

Ich bin mir auch sicher, dass der 1. FC Magdeburg auch noch seine Erfolge in der 2. Bundesliga feiern wird. Aller Anfang ist bekanntlich schwer. Doch ich glaube fest an den Klassenerhalt. Sollte doch der schlimmste Fall eintreffen, woran ich absolut keine Gedanken verschwende, dann wird mein Herz trotzdem weiterhin für die Farben Blau und Weiß schlagen. Denn #einmalimmer ist nicht einfach nur ein Ausspruch, sondern eine Lebenseinstellung.

 

 

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